Warum es nicht (nur) darum geht, mehr Frauen in Führung zu bringen – sondern gelebte Weiblichkeit. In Männern UND Frauen.
- Rebekka Bachmann

- 5. Aug.
- 9 Min. Lesezeit

Als Frau erfolgreich – aber um welchen Preis?
Ich habe viele Jahre geglaubt, ich müsste einfach nur stärker werden, um zu genügen. Um erfolgreich zu sein. Um dazuzugehören. Ich habe enorme Leistungen erbracht. Projekte diszipliniert durchgezogen, mich angepasst – an Umfelder, Unternehmen, Teams. Weil ich tief in mir dachte: Mit meiner wahren Natur passe ich nicht dazu. Und genau daran bin ich fast zerbrochen. Weil ich wesentliche Anteile meiner Persönlichkeit nicht gelebt habe.
Auch ich – als Frau – habe meine Weiblichkeit und all ihre Qualitäten abgewertet und verdrängt. So, wie es in unserer Gesellschaft eben üblich ist. Und ich bin nicht die Einzige. Nicht unter den Frauen. Und ganz sicher nicht unter den Menschen. Denn auch Männer tun das. Weibliche Anteile abwerten ist keine Frauenthematik. Es ist ein kollektives Missverständnis, das uns alle betrifft.
Was ist eigentlich «das Weibliche» – jenseits von Klischees?
Das Weibliche ist intuitiv – es ist in der rechten Hirnhälfte beheimatet. Und zwar bei beiden Geschlechtern. Es ist zyklisch – wie die Natur, die in Jahreszeiten atmet. Es ist magnetisch – es zieht an, es empfängt. Wusstest du, dass es nicht der Same ist, der «die Eizelle findet» – sondern die Eizelle, die den Samen magnetisch anzieht? Das Weibliche ist nährend, empfänglich, haltend, durchdringend.
Wie wir Weiblichkeit systematisch verzerren
Doch im Kollektiv geschieht etwas anderes:
Intuitiv wird als irrational abgestempelt.
Zyklisch? Gilt als launisch («Hast du mal wieder deine Tage…?»)
Magnetisch? Wird als «zu viel» gewertet.
Empfänglich? Wird mit Schwäche gleichgesetzt.
Warum? Weil wir nicht wirklich verstehen, was das Weibliche bedeutet.Und weil wir es verlernt haben, es zu leben. In uns. Und im System. Weiblichkeit ist keine Rolle. Kein Klischee. Kein rosa Schleier. Sie ist eine Energie – genau wie das Männliche. Beides sind Frequenzen. Schwingungen. Sie leben in uns wie die rechte und linke Gehirnhälfte.
Doch das Weibliche ist – im Gegensatz zum Männlichen – radikal unterernährt.
Wenn das Weibliche fehlt, muss das Männliche kompensieren
Was geschieht also? Das Männliche übernimmt. Es kompensiert. Es erschafft, ja – aber aus einem einseitigen Antrieb. Denn in einer Welt, in der das Fliessende keinen Wert hat, muss Kontrolle alles regeln. Und so entsteht eine Gesellschaft, die auf Leistung, Vergleich und Daueranspannung basiert.
Doch was dabei fehlt, ist genau das, was das Weibliche in seiner Ur-Essenz mitbringt:
Verwurzelung statt Selbstoptimierung
Lauschende Tiefe statt sofortiger Reaktion
Zyklisches Erlauben statt linearem Abarbeiten
Spüren statt Beweisen
Das Männliche ist nicht falsch. Aber ohne das Weibliche ist es nicht vollständig. Beide Qualitäten sind wichtig – doch erst im Zusammenspiel entsteht Schöpfungskraft.
Es geht nicht um Gleichstellung – sondern um Gleichgewicht
Das Weibliche schenkt den Impuls. Das Männliche gibt die Richtung. Das Weibliche fliesst.
Das Männliche formt. Erhält das Weibliche Raum, entfaltet es sich – und wird in seiner Essenz sichtbar. Beides ist richtig – und erst im Miteinander werden sie ganz. Diese Qualitäten existieren nicht getrennt voneinander in Mann oder Frau – sie existieren in jedem von uns. Dort, wo sie sich ergänzen, entsteht Wirkung. Aus Ideen wird Form, aus Impulsen Handlungen.
Was wir wirklich brauchen, ist gelebte Balance
Und genau deshalb bin ich heute der festen Überzeugung: Es geht nicht in erster Linie darum, mehr Frauen in Führungsetagen zu bringen – sondern um gelebte Weiblichkeit. In Frauen. Und in Männern. Denn was gewinnen wir, wenn wir Frauen «nach oben» bringen, die gelernt haben, ihre weiblichen Qualitäten zu unterdrücken – um mit männlichen Strategien in männlich geprägten Strukturen zu überleben?
Was verändert sich, wenn wir einfach nur mehr «Menschen mit Brüsten und Uterus» in Führungspositionen sehen, aber das dominante Prinzip bleibt das Selbe? Einseitigkeit. Leitungsgetrieben. Kontrollierend.
Und was gewinnen wir, wenn sich Männer weiterhin gezwungen sehen, ihre empfänglichen, intuitiven, spürenden Qualitäten zu verleugnen – nur um nicht als «Heulsuse», «Weichei» oder «Trägt wohl das Röckchen zu Hause» abgestempelt zu werden?
Beide Reaktionen – die Anpassung bei Frauen wie das Verdrängen bei Männern – sind keine Befreiung. Sie sind Kompensationsmechanismen. Sie ergänzen das System nicht – sie reproduzieren es.
Wenn wir echten Wandel wollen
Wenn wir echten Wandel wollen, dürfen wir erkennen: Das Zulassen weiblicher Qualitäten ist kein Zeichen von Schwäche. Es ist ein Zeichen von Balance. Von Integration. Von echter innerer Führung.
Was in Organisationen fehlt, ist nicht «mehr Geschlecht» – sondern: mehr gelebte Balance.
Echte Diversität beginnt nicht mit Gleichstellung auf dem Papier, sondern mit der Erlaubnis, auch in Macht- und Entscheidungspositionen weiblich UND männlich zu führen.
Das bedeutet nicht weichgespült. Sondern: verbunden, lauschend, intuitiv, spürend, zyklisch – und zugleich klar, direkt, kontrollierend, leistungsstark, diszipliniert. Nicht in Einseitigkeit – sondern im Zusammenspiel.
Was heute vielerorts als Fortschritt gefeiert wird, ist selten echte Vielfalt – nicht, wenn wir nur das Erscheinungsbild verändern, aber das zugrunde liegende System unangetastet lassen. Denn wenn am Ende weiterhin vor allem das Männliche gelebt wird – egal durch wen es verkörpert wird – fehlt die Ergänzung zum grossen Ganzen.
Es beginnt im Innen – nicht im Aussen
Was wir brauchen – in Unternehmen, in Führung, in Teams und vor allem: in uns selbst – ist nicht einfach mehr Weiblichkeit im Aussen. Sondern: mehr Erlaubnis für das Weibliche im Innen.
In Männern.
In Frauen.
In Organisationen.
In unserem Denken.
In unserem Handeln.
Und ja – auch in unserer Sprache.
In unseren Meetings.
In unserer Art, Entscheidungen zu treffen.
Was das wirtschaftlich bedeutet – und menschlich kostet
Ich weiss, wie es sich anfühlt, wenn das Männliche dominiert. Ich habe es erlebt – als Angestellte, direkt angebunden an eine Geschäftsleitung. Ich sah dort jene «Menschen mit Brüsten und Uterus», die in Führungspositionen sassen. Doch von gelebter Weiblichkeit war kaum etwas zu spüren. Sie wirkten hart, unnahbar und unnachgiebig, genau gleich wie ihre männlichen Kollegen. Es schien ein täglicher Kampf – in einem Gremium, das von klaren Hierarchien, kühlen Köpfen und Ellenbogen-Mentalität geprägt war. Und ich fragte mich: Was blieb ihnen auch anderes übrig, wenn sie in diesem System erfolgreich überleben wollten?
Ich erlebte auch die Auswirkungen des Gremiums bis ganz nach unten. Es prägte Teams, die Zusammenarbeit, die Gespräche, die Kultur. Ein Stil, der sich durch das ganze Unternehmen zog und in dem alle Leichtigkeit verschwand. Kein Wunder waren die Resultate sichtbar in Form von Absentismus, Präsentismus, internen Machtkämpfen, Streiterein, Fluktuation. Das kostete nicht nur Geld, sondern Substanz. Menschlichkeit. Lebendigkeit.
Persönlich – wie ich mich selbst verlor und wiederfand
Gefangen im Modus: Funktionieren
Auch ich lebte jahrelang fast ausschliesslich in männlicher Energie. Ich dachte: Nur wenn ich funktioniere, leiste, mich anpasse – gehöre ich dazu. Das weiblich Fliessende in mir war unvorhersehbar, nicht planbar und deswegen wollte ich es nicht fühlen. Es machte mir Angst und deswegen drückte ich es weg. Ich plante. Ich kalkulierte. Ich optimierte. Immer strategisch. Für alles musste ich eine Erklärung haben und ich musste wissen, wie etwas weitergeht. Ich war also immer auf der Suche nach Sicherheit.
Leistung als Kompass meines Selbstwerts
Leistung wurde mein innerer Nordstern. Je mehr ich erreichte, desto wertvoller fühlte ich mich. Je mehr ich verdiente, desto angesehener erschien ich – nach aussen und, schlimmer noch, auch für mich selbst. Und um diesen Wert zu sichern, stellte ich mich und meine Ergebnisse ständig unter Beweis. Ich funktionierte – sehr lange, sehr gut. Und merkte nicht, dass ich mich dabei selbst verlor.
Der Aufprall
Bis mein Körper eines Tages entschied: Dieses System trägt nicht mehr. Völlig unerwartet zog mein ganzes Wesen die Notbremse. «Rien ne va plus» – nichts ging mehr. Burnout, resp. Depression. Es fühlte sich an, als wäre ich mit voller Wucht in eine Wand gedonnert. Und der Aufprall verwandelte mein Leben in einen Scherbenhaufen. Zuerst versuchte ich noch, das alles wegzuerklären. Zu relativieren. Weiter zu funktionieren. Doch so sehr ich das auch versuchte, es ging nichts mehr.
Goldene Bruchlinien – und eine neue Richtung
Es folgten Therapie, Rückzug, Stille und Langsamkeit. Und erst über die Langsamkeit und die Stille erkannte ich irgendwann: Diese Scherben sind kein Ende – sie sind der Anfang von etwas Neuem. Wie in der japanischen Kunstform Kintsugi. Dort wird zerbrochene Keramik nicht weg geworfen, sondern mit goldener Kittmasse repariert. Ich erkannte, ich muss meine Scherben und Bruchstellen nicht verstecken – ich darf sie betonen, würdigen, veredeln.
Die Erinnerung und die Rückkehr zu mir
Ich hatte viele Jahre ein Spiel gespielt, das nie meines war. Und offenbar brauchte es diesen Aufprall, der mich zurück zu mir selbst warf. Und gerade weil ich schachmatt gesetzt war und es still wurde, konnte ich nichts anderes mehr tun als lauschen. Auf meine eigene innere Stimme, die schon immer mein wahrer Kompass war. Ich hatte ihn bloss vergessen. Ich empfing wieder Impulse – und einer davon klopfte leise an mit der Frage: «Wer bist du in Wahrheit, lange bevor dir die Welt sagte, wer du zu sein hast?» Und damit kam die Erinnerung zurück:
Ich bin nicht nur Verstand. Nicht nur Wille. Nicht nur Disziplin.
Sondern auch: Empfang. Verbundenheit. Spüren. Sein.
Die Erinnerung an Ganzheit
Damit begann mein Weg – zurück zu mir. Und zwei Jahre später: zurück ins (Berufs-)Leben.
Doch es dauerte, bis ich die Weiblichkeit in mir wieder zulassen konnte. Denn was ich als Kind gelernt hatte – mich vor allem über Leistung zu definieren – liess sich so nicht einfach ablegen. Es wollte umprogrammiert werden.
Sätze wie: «Nur wer etwas leistet, wird etwas.», «Wer nichts leistet, ist nichts Wert.», «Ohne Fleiss kein Preis.», «Wenn es einfach geht, hat es keinen Wert.» prägten mich tief. Sie hatten sich tief in mein System eingeschrieben. Und daraus entstand Perfektion – ein ständiger innerer Antrieb, der mich über Jahre gesteuert hat. Mir selbst einzugestehen,dass es auch anders geht – dass auch mein eigener Weg wertvoll ist – war vielleicht das Schwierigste überhaupt.
Vom Müssen zum Erlauben
Doch genau dort begann sich etwas zu verändern. Ich erkannte: Meine Wünsche nach Erfolg, Liebe, Glück, Fülle und Sinn konnten sich erst dann wirklich entfalten, wenn ich alle Qualitäten in mir in Balance brachte. Wenn ich konsequent meinen eigenen Weg einschlug. Wenn ich Kontrolle losliess und mich dem Fluss des Lebens anvertraute. Wenn ich vom„Ich muss …“ins „Ich erlaube mir …“wechselte. Wenn ich mir Pausen gönnte und darin echte Kreativität entstand.
Wahre Kreativität entsteht nicht unter Druck
Sie entsteht in der Stille. Ein voller Kopf hört keine leisen Impulse. Der Verstand denkt – aber er lauscht nicht. Und genau so verhält es sich mit Innovation. Auch hier braucht es das: Lauschen. Raum. Empfang. Erst dann folgt die Umsetzung.
Wenn Raum entsteht, entsteht Ausdruck
Eine Kundin sagte einmal zu mir: «Ich dachte immer, ich sei nicht kreativ.Aber du hast mich eines Besseren belehrt.» Ich bin fest davon überzeugt: Es gibt keine unkreativen Menschen –nur Umstände, die Kreativität ersticken. Kreativität braucht Raum. Nicht im Aussen sondern im Innern. Sie entsteht, wenn der Druck nachlässt. Denn Druck erzeugt Gegendruck – und der führt oft zu Widerstand.
Druck & Raum – kein Entweder-Oder
Ja, du magst sagen:«Aber Diamanten entstehen doch auch nur unter hohem Druck.» Und ja – das stimmt. Vielleicht liegt genau darin eine tiefere Wahrheit. Es braucht beides. Raum und Druck. In Kombination. Im cleveren Zusammenspiel. Die Entstehung jeder Form beginnt in der Stille. Erst wenn das Weibliche empfängt, kann das Männliche daraus ins Handeln treten. Es ist wie beim Tanzen: Zu jedem Takt – den richtigen Schritt.
Ein neuer Rhythmus des Seins
Vielleicht beginnt es damit, dass wir nicht mehr sagen: «Ich muss noch …», sondern wagen zu sagen: «Ich lasse heute entstehen. Ich lasse fliessen. Ich lasse mir zeigen.»
Und oh ja, das ist unvorhersehbar. Nicht linear. Nicht kontrollierbar. Und genau darin liegt die Magie.
Wenn das Weibliche wieder fliessen darf
Es ist nicht nur Taktik – sondern das Vertrauen dazu.
Es ist nicht nur Kontrolle – sondern Präsenz und Wahrnehmung.
Es ist nicht nur Druck – sondern auch Hingabe an die eigene Frequenz.
Und genau dort beginnt ein neues Wirken. Eines, das nicht von aussen getrieben ist –sondern von innen getragen.
Erinnerst du dich daran, wer du bist – ehe dir die Welt gesagt hat, wer du zu sein hast?
Vielleicht ist genau das unser grösstes Wachstum: Nicht noch mehr tun. Sondern uns zu erinnern. An das, was wir in Wahrheit sind: Nicht nur Verstand. Nicht nur Disziplin. Nicht nur Ziel und Kontrolle. Sondern auch Intuition. Empfänglichkeit. Zyklus. Spüren. Sein.
Was heute fehlt, ist nicht Leistung – sondern Erlaubnis
Ich glaube, dass genau das heute fehlt – in Führungsetagen, in Organisationen, in uns selbst: Das Erlauben dieser inneren Balance. Meine Absicht ist nicht, das Männliche zu verdrängen. Und auch nicht, Frauen aus Führungsetagen fernzuhalten. Meine Absicht ist, das Weibliche wieder einzuladen. Damit das Ganze ganz wird. Und daraus ein neues Wirken entsteht:
Für eine neue Art zu leben, zu führen, zu sein
Für uns als Individuen.
Für uns als Gesellschaft.
Für eine tragfähige Zukunft.
Für eine gesunde Wirtschaft.
Eine Einladung an dich
Wenn dieser Text in dir etwas berührt hat – vielleicht einen Schmerz, eine Sehnsucht oder ein inneres Nicken – dann ist das kein Zufall.
Ich begleite Menschen, die sich erinnern wollen. Die sich nicht länger anpassen – sondern sich selbst leben möchten. Menschen, die führen wollen und zwar nicht aus Angst oder Leistung, sondern aus innerer Kohärenz und verkörperter Präsenz.
Vielleicht ist der Anfang ganz einfach
Schreib mir gerne. Für ein Gespräch, das nicht optimiert – sondern verbindet. Und vielleicht beginnt alles damit, dass du dich ganz zeigst. Mit all deinen goldenen Bruchlinien. Veredelt. Gewürdigt. Ganz.




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